Die alte Holzschleiferei
Eigentlich begann es mit einer Fehlspekulation. In Bärwalde stand ein Hüttenwerk, das nicht mehr rentabel arbeitete. Herr Rötschke als Besitzer und Herr Säuberlich als Leiter hatten die Absicht diese „Eisenschmelze“ so schnell und günstig wie möglich loszuwerden. Der Wirtschaftsinspektor des königlichen Kommissionsrates von Kassel, Herr Scheyer aus Uhyst, interessierte sich brennend dafür. Er glaubte, dass ein hoher Gewinn aus der Verhüttung von Eisen zu erzielen sei. Der listige Säuberlich nutzte jede Gelegenheit, um den recht oft zu Besuch kommenden Scheyer vom hohen Gewinn seines Werkes zu überzeugen. Der Uhyster Wirtschaftsinspektor hatte entgegen den Bärwalder Hoffnungen ganz andere Pläne. Er wollte erst mal Prinzipien und Technologien erkunden, um gewonnene Erkenntnisse für sein geplantes Uhyster Werk zu sammeln. Mit großer technischer Erfahrung ausgestattet, ließ er 1858 das Gebäude für seine Eisenschmelze bauen. Die schmerzliche Erfahrung, dass Uhyst für diesen Wirtschaftszweig nicht der richtige Standort war , kam etwas zu spät. Der Ostflügel war schon fertig.
Das Bild rechts zeigt die Schleiferei mit dem Schornstein für die Kesselanlage. Diese war für den technologischen Arbeitsprozess der Holzschleiferei notwendig und diente später zur Beheizung des Krankenhauses.
Erst um das Schicksalsjahr 1866 entstanden eine Getreidemühle und ein Pumpenwerk im bis dahin leerstehenden Gebäude. Aufmerksamen Betrachtern fallen die Fensterfaschen im Brandgiebel (Bild unten) der Holzschleiferei auf. Es ist ein Beweis dafür, dass zuerst der östliche Gebäudeteil komplett errichtet wurde und unwesentlich später der westliche Teil nahezu baugleich angesetzt worden ist. Die dabei vermauerten Ziegelformate und Farben sind gleich. Sie sollen aus dem Raum Reichwalde-Mochholz stammen. Es kann vermutet werden, dass mit dem Bau der Getreidemühle der 2. Teil des roten Backsteinbaues entstanden ist.
Im Brandenburger Landesarchiv (Quelle: Reg.3B I.W) gibt es eine Lageskizze von 1883, die benanntes Mühlengebäude in der gegenwärtigen Größe mit 2 Wasserrädern und einem Fließ zeigt, das unter dem westlichen Gebäudeteil durchging. Vermutlich lief innen noch ein zusätzliches Mühlenrad oder ein Schöpfwerk. Alte Rechnungen aus der Uhyster „Rabenauischen Zeit“ weisen das Werk als“ Kunst- und Walzenmühle“ aus.
Der Bau der Eisenbahnlinie um das Jahr 1871 hatte für den Ort wirtschaftlich revolutionäre Bedeutung. Das Mühlengebäude erhielt sogar einen Gleisanschluss. Die Eisenbahnwagen wurden mit Pferden oder Ochsen bis zur Übergabestelle gezogen.
Die notwendig gewordene Rekonstruktion der beiden Spreewehre erfolgte 1896. Schon ein Jahr später, wurden Haupt- und Nebenwehr sowie der Seitenflügel der Mühle samt Mühlenrad durch ein Jahrhunderthochwasser weggerissen. Für Uhyst entstand ein Gesamtschaden von 350.000 Mark.
Im „Neuen Görlitzer Anzeiger“ vom 3.8.1897 war zu lesen, dass in weiten Teilen Sachsens etwa 120 Liter pro Quadratmeter Regen niedergingen. Das entsprach einer Gesamtmenge von 1.500 Millionen Kubikmetern. Die Behörden legten eine Evakuierung fest. Viele Uhyster zogen für einige Tage in Bereiche, die höher lagen. Der Schaden war so groß, dass neben den Tag und Nacht arbeitenden Menschen aus Uhyst und der Region, noch zusätzlich Soldaten der Armee bei den Aufräumungsarbeiten halfen. Die letzten hartgesottenen Siedler auf der östlichen Spreeseite gaben auf. Es traf die Mühle genau zur Hauptsaison, sehr zum Vorteil der Konkurrenz. Der Mühlenbetrieb wurde eingestellt.
Die um 1847 durch Kahlschlag fast gänzlich vernichteten Wälder hatten wieder genügend Holz, um auf dieser Rohstoffbasis einen verarbeitenden Industriezweig zu schaffen. Noch unter dem Gutsbesitzer Herrn von Rabenau entstand im Gebäude die bekannte Holzschleiferei. Ein Sägewerk soll teilweise außerhalb des Hauptgebäudes gelaufen sein. Schornstein, Kesselhaus und das Turbinengebäude wurden gebaut. Um 1902 konnte die Produktion aufgenommen und ab 1913 unter der Leitung von Rabenaus Enkel Herbert Kluge weitergeführt werden.
Im Staatsfilialarchiv Bautzen befinden sich Bauakten über das Uhyster Wehr und beide Turbinen die im Zeitabschnitt von 1914 bis 1929 genehmigt wurden. Das Verfahren, technische Genehmigungen zu erteilen, lief um die Jahrhundertwende erst richtig an. Im Liegnitzer Amtsblatt wurde etappenweise und technikbezogen dazu aufgerufen. Entsprechende Prüfvorschriften, zum Beispiel über Druckkessel, können in den Amtsblättern von 1902 nachgelesen werden. Somit sind Anlagen im Nachgang genehmigt worden, die schon lange liefen.
Das Bild rechts zeigt einen Ausschnitt aus einer handgezeichneten Karte mit dem Uhyster Mühlgrabenverlauf von 1883. Ein Graben ging direkt durch das linke Mühlengebäude. Die Mühle hat einen Gleisanschluß und wird durch zwei Wasserräder angetrieben. Ein weierer Graben führte über den heutigen Inselbereich. Der Spreeverlauf befindet sich weiter östlich.
Die Annahme, dass nach der Hochwasserhavarie die Holzschleiferei mit einem oder sogar mit demselben Mühlrad oder beiden Mühlenrädern weiterbetrieben wurde, kann nicht ausgeschlossen werden.. Aus einer Bauzeichnung ist zu ersehen, dass zwischen 1900 und 1915 die große 190 PS Turbine als Gesamtantrieb zum Einsatz kam. Leider fehlen konkrete Unterlagen die Aufschluss über konstruktive und finanzielle Beweggründe von Entscheidungen liefern, die zu jener Zeit gefällt wurden. Jedenfalls konnte bei einem mittleren Durchfluss von 7 bis 10 m³/s die benötigte Energie zum Zerfasern des gedämpften Holzes aus der anliegenden Wasserkraft gewonnen werden. Die kleine Turbine, die 76,3 PS lieferte und noch erhalten geblieben ist, wurde später eingebaut. Sie ist bis jetzt mit der alten Transmission verbunden, die einmal durch das gesamte Gebäude führte und die Weiterverarbeitung des Schleifmehls zur Rohpappe übernahm. Von ihr wurde eine relativ konstante Laufgeschwindigkeit verlangt, die bautechnisch mit einem über der Turbine befindlichen „Luftpolsterdom“ gewährleistet werden konnte. Seit dem Anfang des Jahrhunderts (vermutlich 1902) wurde ein Gleichstromgenerator betrieben, der den Gutshof mit dem Schloss, das Rentamt, Winklers Hof, die herrschaftliche Bäckerei und sogar die Theke und den Stammtisch in Haschkes Gaststätte mit elektrischem Licht versorgte. 1923 soll dieser Generator gegen einen Leistungsfähigeren gewechselt worden sein. Als das Schloss 1950 zur TBK- Heilstätte ausgebaut wurde, ist der Gleichstromgenerator gegen einen Wechselstromgenerator getauscht worden. Er diente hauptsächlich zur Versorgung der technischen Einrichtungen im Krankenhaus mit Elektroenergie, bis das Ortsnetz entsprechende Belastungen aufnehmen konnte und das Erzeugen von Strom mit kleinen Energieanlagen unwichtig wurde.
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch gelang es dem langjährigen Werkmeister Walter Schöbel mit Hilfe einer Turbine, Energie zu erzeugen. Damit konnte die gutsherrschaftliche Schrotmühle der Teichwirtschaft in Gang gesetzt werden. Das in der Mühle von Herrn Barth lagernde Getreide wurde gemahlen und zum so wichtigen ersten Brot für die hungernden Menschen verarbeitet. Hoher persönlicher Einsatz und das kreative Handeln einiger Bürger konnte das Elend im Ort wenigstens etwas lindern. So mussten zusätzlich 284 Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten in Uhyst untergebracht werden.
Bürger berichten von einer experimentellen Nachkriegsproduktion im Gebäude, die unter Leitung eines Herrn Paul Lehnigk aus Schleife Pressholzschüsseln zum Allgemeingebrauch herstellen sollte. Das Verfahren ist von einem Ingenieur Bein aus Görlitz entwickelt worden und hatte in der Endfertigung, beim sogenannten Versäubern der Produkte, erhebliche Schwierigkeiten. Trotz hoher Investitionen kam diese Produktion nicht zum Tragen.
Auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr.64 wurde der Gutsbesitzer Herbert Kluge am 10.09.1945 enteignet. Mit der Durchführungsbestimmung zum SMAD-Befehl Nr.64 vom 28.04.1948 trat die benannte Enteignung in Kraft.
Das Sägewerk und die Holzschleiferei gingen am 01.04.1949 in den Besitz des VEB Papierverarbeitung über. Das Werk wurde endgültig stillgelegt. Der Wert des Gebäudes mit den Maschinen betrug zu jener Zeit noch 90.516 DM. Die Staatliche Sozialversicherung reichte einen Antrag zur Übernahme des Gebäudes mit der Begründung ein, die Schleiferei als Wohnraum für Ärzte und Personal der neuen TBK Heilstätte ausbauen zu wollen. Sie erhielt am 01.07.1950 den Zuschlag und hatte damit erreicht, dass alle von dort angeschlossenen Versorgungseinrichtungen und Abstellmöglichkeiten benutzt werden konnten. Obwohl zu dieser Zeit noch 161 Flüchtlinge zusätzlich im Ort untergebracht waren, erfolgte weder ein Umbau noch eine Werterhaltung.
Die Fischerei Königswartha hatte ebenfalls einen Antrag zur Nutzung des Gebäudes als Stellmacherei gestellt, der abgelehnt wurde. Nirgends ist eine Erklärung zu finden, weshalb die zu jener Zeit so wichtigen Maschinen einfach verschwanden.
Nach und nach verkam das schöne Gebäude, das noch als Werkstatt und Heizhaus diente, zur Müllhalde des Krankenhauses. Mit der „Abwicklung“ des Krankenhauses im Jahre 1991 verschwand auch diese Funktion. Das Dach drohte einzufallen. Erst nachdem es in den Besitz der Gemeindeverwaltung Uhyst überging, stellte der Freistaat Sachsen 700.000 DM für die Dachsanierung bereit, die 1992 in Auftrag gegeben werden konnte. Ein Mauernriss erstreckt sich vom rechten hinteren Hauptgebäude bis in die Turbinenruine. Dieser soll durch die Grundwasserabsenkung des Bärwalder Taugebaues hervorgerufen worden sein. Der Schornstein wurde 1997 durch einen Blitzschlag so schwer getroffen, dass er abgerissen werden musste. Auf dem Anbau des Turbinengebäudes fehlt immer noch das Dach. Erst mit einem Gesamtkonzept soll auch der Anbau seine Bestimmung erhalten und zweckentsprechend saniert werden. Gegenwärtig läuft eine Prüfung der Bedingungen für die erneute Nutzung der Wasserkraft. Historische Nachweise von einst vorhandenen Rechten liegen als Kopien vor. Beide Wehre und die neu errichtete Fischtreppe befinden sich in einem sehr guten baulichen Zustand. Zur Zeit kann die notwendige Durchflussmenge wegen bestehender Wasserbilanzen, die als hydrologisches Gutachten vom 10.03.95 vorliegen, noch nicht erfüllt werden. Das neu beantragte Gutachten vom 12.09.2002 bescheinigt eine unwesentliche Veränderung. Erst wenn die Entnahme für die Flutung des Bärwalder Sees abgeschlossen ist, steht statt der jetzt durchschnittlich zirka 0,4 m³/s die Wassermenge von etwa 1,4 m³/s zur Verfügung. Damit wird die Nutzung der Wasserkraft zur Erzeugung von Elektroenergie erst rentabel. Wenn die bauliche Substanz in seiner Architektur attraktiv ausgebaut wird, kann das kleine Wasserkraftwerk zum sehenswerten Publikumsmagneten am viel benutzten Spreewanderweg werden.
Im November 2000 wurde ein Projekt zur Nutzung der „Alten Schleiferei“ als Reptilienzoo erstellt. Es sollte eine gastronomische Einrichtung, ein Souvenirshop und ein Reptilienfachgeschäft eingebunden werden. Die dafür veranschlagten 413.000 DM Eigenmittel sind für private Nutzer kaum aufzubringen, abgesehen davon, dass mit der zur Zeit vorhandenen örtlichen Infrastruktur kaum Gewinn erzielt werden kann.
Das Gebäude ist ein erhaltenswertes,aber ungenutztes Baudenkmal. Es lebt von seiner glanzvollen Geschichte und wartet auf Menschen mit Ideen, die noch Wunder vollbringen können.
Eberhard Barthel